
Selbstzweifel und Selbstvertrauen bei Führungskräften

Paderborn [ENA] Vertrauen ist die Erfolgsgrundlage für jede Beziehung. Fehlt sie, fehlt vielen die Orientierung des Handelns. Vertrauen kann als eine Erwartung an das zukünftige Verhalten anderer Menschen im Zusammenspiel mit der eigenen Person definiert werden (vgl. u.a. Becker, 2015).
Selbstvertrauen ist die Erfolgsgrundlage für eine stabile Beziehung zu sich selbst. Wer über Vertrauen in seinem Denken und Handeln verfügt, ist überzeugt von seinen Fähigkeiten und dem Wert seiner Person. Es drückt sich oftmals für das Umfeld durch ein selbstsicheres Auftreten aus. Eine solche Art demonstriertes Selbstbewusstsein assoziiert, dass sich die betreffende Person in der Lage sieht, anstehende Herausforderungen und Aufgaben sozial verträglich und souverän zu meistern.
Ein zu selbstsicheres Auftreten birgt hingegen die Gefahr, dass dem handelnden Akteur Narzissmus unterstellt wird und das Umfeld sich mehr mit seiner Person als mit den erlebten Handlungsweisen auseinandersetzt. Hierbei steht dann die Person anstelle der Sache im Vordergrund der Wahrnehmung des sozialen Umfelds. Fehlt es einer Führungskraft an „gesundem“ Selbstvertrauen, so wird sie ihre Führungsrolle nicht effektiv und effizient wahrnehmen können vgl. u.a. Potreck-Rose, 2018; Drath, 2019). Bestimmen Selbstzweifel die Denk- und Handlungsweisen einer Führungskraft, so erzeugt sie Unsicherheit durch ihr Handeln und reduziert souveräne Auftritte in ihrem Umfeld.
Die Studie „Führungskräfte-Radar 2019“ der Bertelsmann-Stiftung (N = rd. 1000 Führungskräfte) zeigt, dass ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland im Rahmen ihrer Führungsrolle mit Selbstzweifeln kämpft (vgl. Möllering/Schuster/Spilker, 2020; Spilker, 2020). Sie empfinden ihre Führungsverantwortung meistens als Belastung und zweifeln daran, ob Führung ihnen liegt. Bedenkt man, dass Führungszweifel in aller Regel mit einer geringen Führungswirkung einhergehen, stellt dieser Befund ein gravierendes Problem für Unternehmen dar. Insbesondere junge Führungskräfte (jünger als 40 Jahre) werden in Ausübung ihrer Führungsposition von Selbstzweifeln geplagt. Bei rd. 44% der befragten Führungskräfte dieser Alterskategorie war dies der Fall.
Als Ursachen für diese Einschätzungen werden eine zu starke Belastung bzw. zu geringe Unterstützung im Rahmen der Führungsrolle angeführt. Allgemein konstatiert die Studie, dass Führungskräfte in Deutschland als ergebnisorientiert und auch inspirierend wahrgenommen werden. Eine solche Art engagierter Führung hat die positiven Folgen, dass Mitarbeiter produktiver, zufriedener, kreativer und kollegialer miteinander umgehen. Damit diese positive Wirkungskette erhalten bleibt, sollten sich laut Studie Führungskräfte kontinuierlich in ihrer Führungsrolle reflektieren.
Schauen wir uns weitere Aussagen zum Führungszweifel aus der Bertelmann-Studie an (vgl. Spilker, 2020, S. 1), so ist folgendes anzuführen: 21,4% äußerten sich, dass sie ihren eigenen Ansprüchen an eine Führungskraft oft nicht gerecht werden. / 25,6% bewerteten, dass sie mehr zu einer Gruppe beitragen könnten, wenn sie geführt würden, anstatt selber zu führen. / 23,4% sind sich nicht sicher, ob Führung ihnen liegt. / 25,6% empfinden ihre Führungsverantwortung meistens als Belastung.
Die geäußerten Führungszweifel sind dabei in gleichem Maße sowohl bei Frauen als auch bei Männern in der Führungsrolle gegeben. Zweifel an der Führungsrolle sind über alle Alters-, Erfahrungs- und Hierarchiestufen gleich verteilt vorzufinden. Die geäußerten Führungszweifel stellen oft das Ergebnis schlechter Führungs-bedingungen für durchaus geeignete Personen dar. Ein Führungskräfteaustausch wäre unter solchen Bedingungen somit nicht erfolgsversprechend, weil die Ersatzkräfte unter den gleichen schlechten Voraussetzungen bald ebenso zu zweifeln beginnen würden, wie die aktuelle Klientel.
Dieser Aspekt rückt die Führungsbedingungen in den Focus. Diejenigen Führungskräfte mit geringen Führungszweifeln stimmen ggü. der anderen Führungsgruppe vermehrt zu, dass ihre Aufgaben klar sind und ihr Aufgabenbereich Freiraum lässt und nicht zu stark formalisiert ist. Zweifelnde Führungskräfte haben ggü. der anderen Leitungsgruppe eine recht negative Wahrnehmung von ihren Mitarbeitern, die sie in größerem Umfang als unmotiviert erleben, obwohl dies gerade eine zentrale Aufgabe in der Führungsrolle ist, die Motivation der Mitarbeiter zu fördern.
Solche Führungskräfte geraten in einen Teufelskreis von immer weiter sinkender Motivation und immer größer werdenden Frustration zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, wobei die Ursachen auf beiden Seiten liegen (vgl. Möllering/Schuster/Spilker, 2020, S.2ff. Führungskräfte haben in ihrer Führungsrolle nicht nur die Aufgabe, Andere zu motivieren, sondern sie benötigen – wie bereits erwähnt – gleichfalls motivierende und unterstützende Bedingungen für ihre Führungsaufgaben. Ein Selbstvertrauen in die eigene Führungskompetenz braucht demnach gute Führungsvoraussetzungen. Die folgenden Bedingungen unterstützen den Vertrauensaufbau:
- Klarheit in der Unternehmensstrategie. / - Transparenz in den Zielen, Aufgaben, Verantwortungen und Kompetenzen der Führungskraft sowie den operativen Prozessen, ohne unnötige Bürokratie. / - Gelebte Werte und eine vertrauensvolle Wertschätzung der Unternehmenskultur im Allgemeinen und besonders auch im direkten Austausch zwischen Top-Management, Führungskräften, Kollegen und Mitarbeitern. / - Ambitionierte Ziele der Führungskräfte für ihre eigene Entwicklung bei sowohl starker Identifikation mit dem Unternehmen als auch der Erfüllung privater Bedürfnisse. / - Motivierende und begeisterte Mitarbeiter, die auch die Führungskraft in ihrer Rolle unterstützen.
Die sich hieraus ergebenden „engagierten“ Führungskräfte, die durch solche günstigen Bedingungen gestärkt werden, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht der Gruppe zweifelnder Führungskräfte angehören. Sie empfinden besonders in hohem Maße Freude, Energie und Wertschätzung sowie Konflikt- und Veränderungsbereitschaft (vgl. Möllering/Schuster/Spilker, 2020, S. 5). Diese Faktoren stabilisieren und erweitern das Vertrauen in sich selbst, anstehende Herausforderungen in der Führungsrolle effektiv, effizient und sozialverträglich zu handhaben.
Literaturverzeichnis: Becker, F.: Psychologie der Mitarbeiterführung, 2015. / Drath, K.: Die Kunst der Selbstführung, 2. Auflage, 2019. / Möllering, G.; Schuster, S.; Spilker, M.: Führungsmüde? Deutschlands Führungskräfte (ver-)zweifeln an ihrer Rolle, Führungskräfte Radar 2019, Bertelsmann Stiftung 2/2020. / Potreck-Rose, F.: Von der Freude, den Selbstwert zu stärken, 2018. / Spilker, M.: Jede dritte Führungskraft in Deutschland steckt in einer Identitätskrise, Führungskräfte Radar 2019, Bertelsmann Stiftung, 27.02.2020.